Gedächtnis-Spielräume. Erinnern im Film als Konstruktion und Erfahrung im Raum

Datum: 22.06.2008 (20:00:00–23:00:00)

Ort: (Diese Veranstaltung fand in den privaten Räumen eines MoMo-Mitglieds statt.)

Ein Vortrag von Matthias Wittmann.

»Blick ich zurück, so sehe ich die Ereignisse meiner Vergangenheit räumlich. Ich sehe Landschaften, Gassen, Zimmer, aber nicht unbedingt die, in welchen sich jene Ereignisse abgespielt haben.«

                            Béla Balázs, Die Jugend eines Träumers

»You've got yesterday, today, and tomorrow all in the same room. There's no telling what can happen.

                            Todd Haynes, I'm not there

Räume sind Schauplätze und als solche gleichermaßen Gegenstand wie Rahmen (und Rahmung) unserer Erinnerung. Der Kinoraum ist ein Schauplatz, an dem sich weitere Schauplätze, Aussichtsräume öffnen und somit auch Erinnerung gestiftet bzw. gebahnt wird. Es sind nicht nur Bilder von Räumen, Raumbilder, die uns im Kino vor Augen geführt werden, sondern gleichermaßen bewegliche Bildräume, die wir bewohnen können, die aber auch uns bewohnen. »Der filmische Raum ist die Wandelbarkeit des Raums selbst«, stellt Lorenz Engell – anknüpfend an Gilles Deleuze – fest.

Matthias Wittmann: Erinnerung im Film 1 Matthias Wittmann: Erinnerung im Film 2 Matthias Wittmann: Erinnerung im Film 3

Erinnerungsvorgänge im Film präsentieren sich häufig als Konstruktionen im Raum und immersive Erfahrungen, sei es innerdiegetisch (für die Filmfiguren) oder auch wirkungsästhetisch (für das Kinopublikum). Plansequenzästhetiken inszenieren die Zeitübergänge als Gänge durch den Raum und lassen die Kamera zur Zeitmaschine werden, Montageästhetiken falten Vergangenheits- und Gegenwartsschichten ineinander, Bildtechnologien wie Morphing geben den subjektiven Bildlichkeiten neue Ausdrucksformen und eröffnen den erinnerten Zeitlichkeiten neue Möglichkeiten, sich im und über den Raum zu aktualisieren. Schon die antiken Mnemoniker verorteten die memoria im Spannungsfeld von Bild, Raum und Affekt: bewegende Bilder werden im imaginierten Raum-Rahmen deponiert und wieder aufgelesen.

Entlang von ausgewählten Filmen aus Vergangenheit und Gegenwart beschäftigt sich mein Vortrag mit dem breiten Spektrum an filmischen Formen verräumlichten Erinnerns, mit dem wiederholten Aufsuchen von imaginierten Orten und der (Un-)Ordnung der Erinnerung im filmischen Raum, den ich mit Miriam Hansen (und Walter Benjamin) als »Spielraum/room-for-play« betrachten möchte, in dem mit »tastenden Spatenstichen« (Benjamin) unentdeckte Potentialitäten ausgegraben werden können.

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