Politische Kriminalität

... und was man dagegen tun könnte

 

Acht der größten politischen Kriminellen unserer Zeit

Acht der größten politischen Kriminellen unserer Zeit. Die Liste ließe sich lange fortsetzen. Übrigens alles Männer.

Die globale politische Welt hat nicht nur ein Problem. Sie ist ein Problem. Das ist nichts Neues. Denn die Definition von Politik ist bis heute der fortwährende Kampf um die Macht, und als solche ist Politik für alle, die darunter leiden, grundsätzlich und immer ein Problem. Die aktuelle Situation namens 'globale Politik' ragt aus dieser Normalität des Irrsinns und der Gewalt allerdings insofern historisch heraus, als es womöglich um buchstäblich alles geht, d.h. um die Zukunft der gesamten Menschheit, von der Klimapolitik bis zur militärischen Konfrontation. Das wirft akute neue Fragen auf und fordert uns zu neuen Antworten heraus. Dazu folgende, förmlich naive Fragen:

Frage 1: Wie ist es möglich, dass alle innerstaatlichen Rechtsordnungen der Welt die Gewaltanwendung privater Subjekte verbieten, viele Staaten sich aber sowohl im Innenverhältnis zu ihren Bürgern als auch im Außenverhältnis zu anderen Staaten fast grenzenlose Gewalt anmaßen? Wie konnte es zu diesem moralisch krassen Missverhältnis kommen?

Frage 2: Wie kommt es, dass einzelne Führerpersonen in bestimmten Staaten das moralisch illegitime, weil nicht mehr gemeinwohlorientierte Gewaltmonopol ganz persönlich so an sich reißen können, dass sich die Betroffen gegen einen solchen Missbrauch faktisch nicht mehr wehren können?

Frage 3: Gibt es Möglichkeiten, dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten?

Drei Antworten

Zur ersten Frage: Die heutige internationale Weltordnung ist intellektuell weitgehend auf dem Stand der frühen Neuzeit, d.h. auf dem Stand des Westfälischen Friedens von 1648. Es gilt nach wie vor das Prinzip der Staatensouveränität, auf das sich die oben gezeigten Herren auch allesamt fleißig berufen. Dieses Prinzip wäre durchaus positiv, wenn es unterschiedlichen Kulturräumen erlaubte, sich nach je eigener Tradition und Rechtsempfindung zu ordnen. Dies ist allerdings nicht der Fall. Denn nur Staaten nehmen dieses Recht für sich in Anspruch. Nicht-staatliche ethnische Gruppen, Subkulturen, NGO's und andere zivile Organisationen sind auf Gedeih und Verderb dem Gewaltmonopol 'ihrer' Staaten ausgesetzt. Weil sich aber nur Staaten gegenseitig dieses Gewaltmonopol zugestehen, sind sie sich auch (a) über das Recht auf Nichteinmischung anderer Staaten einig und werden (b) genau dadurch systematisch nicht gehindert, ihre eigene Bevölkerung teilweise mörderisch zu behandeln.

Der eigentliche Wahnsinn dieses Prinzips der Staatensouveränität zeigt sich aber erst, wenn man das Verhältnis der Staaten untereinander unter dem Prisma ihrer Machtkonkurrenz betrachtet. Aus dem besagten Prinzip folgt nämlich, dass es auf zwischenstaatlicher Ebene keine globale Autorität gibt, die den Austrag dieser Konkurrenz mittels blanker, militärischer Gewalt zu verhindern imstande ist. Wir erleben dies gerade im russischen Überfall auf die Ukraine, dem mehr oder weniger alle Autokraten dieser Welt verhalten applaudieren (anderslautende Lippenbekenntnisse sollte man einfach ignorieren). Es ist bisher jedoch nicht einmal theoretisch ein Modell in Sicht, das eine solche Autorität der Verhinderung solcher Exzesse bewirken könnte. Die UNO ist zwar eine sehr lobenswerte Einrichtung. Es sollte aber niemand dem romantischen Traum verfallen, dass die UNO jemals zu einer Art Weltregierung mit einem Gewaltmonopol heranwächst, das bis heute nur den einzelnen Staaten zusteht. Sie sollte es auch besser gar nicht. Hier müssen wirklich neue Ideen her.

Zur zweiten Frage: Die Kleinstaaten der frühen Neuzeit hatten längst nicht die Mittel, weder organisatorisch noch finanziell, um ihre Bürger so zu kontrollieren und gegebenenfalls komplett zu entmachten, wie dies infolge des technischen Fortschritts heute möglich ist. Zivile Selbstbestimmung setzt voraus, dass sich die Zivilgesellschaft organisieren kann. Sonst hat sie keine Mittel, der Willkür ihrer politischen Führer Zügel anlegen. In allen gewalttätigen, aggressiv-autoritären Staaten der Welt wird aber genau diese zivile Organisationsfähigkeit mit allen Mitteln verhindert. Die vorhandenen Kontrolltechniken erlauben es, jeglichen zivilen Widerstand schon im zartesten Keim zu ersticken. Entsprechende Aktivisten, seien es Rechtsanwälte, Jouranlisten, Unternehmer, Künstler oder Bauern, werden einfach erschossen, vergiftet, mit Autobomben weggeschafft oder verschwinden, ohne jemals wieder gesehen zu werden. In Anbetracht solcher Möglichkeiten mutiert aber auch der innerstaatliche Kampf um die Macht zu einem vollkommen rechtlosen Krieg, deren Gewinner nicht nur ihre Macht auf ewig zu betonieren versuchen, sondern obendrein 'ihre' Bevölkerung rücksichts- und grenzenlos  ausbeuten und sich bis in die perversesten Höhen an ihnen bereichern.

Zur dritten Frage: Hier ist wirkliches Umdenken gefragt. Tatsächlich hat sich die politische Welt in den letzten 350 Jahren sehr entwickelt. Es gibt ein Sammelsurium völkerrechtlicher Kodizes, kriegsrechtlicher Konventionen, internationaler Gerichtshöfe zur Verfolgung von Kriegverbrechen etc. Es fehlt allerdings nach wie vor jene Autorität, die in der Lage wäre, Verstöße dagegen wirksam zu bestrafen. Stattdessen - und das sollte man angesichts der gegenwärtigen Maßnahmen zur Eindämmung der russischen Aggression nicht kleinreden - muss die internationale Staatengemeinschaft durch einzelne, vor allem wirtschaftliche Sanktionen versuchen, den jeweiligen Aggressor zu stoppen. Dies hat auch durchaus eine generalpräventive Wirkung. Seit dem Fall des sog. Eisernen Vorhangs hat genau diese Abschreckungswirkung allerdings dramatisch abgenommen, nicht zuletzt infolge des ruinösen moralischen Verfalls der US-amerikanischen Außenpolitik seit dem 11. September 2001 bis zum Ende der Regierungszeit von Donald Trump.

Da sich aber die kriminellen politischen Akteure dieser Welt von allein nicht bessern werden, bedarf es vor allem eines neuen Konzepts, nicht-staatliche Akteure in ihrer politischen Wirkung zu stärken. Dies wiederum setzt einen global allgemeinverbindlichen codex criminalis universalis voraus, auf den sich zivile Organisationen berufen können, um das Fehlverhalten insbesondere einzelner politischer Gewalttäter offiziell als das brandmarken zu können, was es ist: ein Verbrechen. Ein solcher Kodex sollte, analog zu einzelstaatlichen Strafgesetzbüchern, nicht nur die einzelnen politischen Straftaten auflisten, sondern auch Rechtsfolgen empfehlen, die allerdings von staatlichen Akteuren umgesetzt werden müssten. Obendrein wären in einem zweiten Teil die Prozesse zu definieren, durch die zivilgesellschaftliche Institutionen bestimmt werden, abschließend über solche Verbrechen zu urteilen.

Ein Vorbild solcher zivilgesellschaftlichen Tribunale könnten das erste Russell-Tribunal sein, die aus der Initiative von Bertrand Russell entstanden und erstmals im Jahre 1966 über die Verbrechen des US-amerikanischen Militärs in Vietnam zusammenkamen (siehe auch hier den entsprechenden Wikipedia-Eintrag). In der damals bipolaren Welt wurde die Wirkung dieser Tribunale allerdings stark dadurch behindert, dass im Blockdenken zwischen Ost und West auch im Westen, trotz sehr hochrangiger Besetzung und Teilnehmern aus 18 Ländern, die Geltung der dort ermittelten Ergebnisse und Urteile systematisch ignoriert wurden.

Es gibt sie noch, die Hoffnung

Wir, die im Gegensatz zu den Staaten dieser Welt (fast) Machtlosen, d.h. die zivilen Bevölkerungen auf der ganzen Welt, sind also in Wirklichkeit nicht so machtlos, wie es zunächst scheinen mag. Unsere Macht liegt lediglich nicht dort, wo sie bisher definitionsgemäß allein liegen darf, nämlich in den Händen staatlicher Akteure. Sie liegt bei uns selbst.

Ich kann mir vorstellen, dass die nicht von Kriminellen geführten Staaten dieser Welt - und das sind viele und teilweise auch sehr reiche Staaten - sich jetzt bereitfinden würden, einen solchen Kodex zu beschließen und die zivilgesellschaftlichen Institutionen zu unterstützen, die durch ihn zu einem Urteil über kriminelles staatliches Handeln ermächtigt werden. Wenn das gelänge, wäre dies vielleicht einer größten Fortschritte in den globalen politischen Beziehungen seit der Gründung der UNO und der anschließenden Menschenrechtserklärung. (ws)

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