Der Wahnbegriff in der Kritischen Theorie. Zur Aktualität einer sozialen Pathologie (Lilith Poßner)
Datum: 18.11.2025 (20:00:00–22:00:00)
Ort: Kino Babylon, Rosa-Luxemburg-Straße 30, 10178 Berlin, und online via Zoom
Der Unterschied von Innenwelt und Außenwelt
Das Ringen um die Ausdeutung der gegenwärtigen Krise gesellschaftlicher Wirklichkeit und der mit ihr verbundene Aufstieg autoritärer Bewegungen in den westlichen Gesellschaften ist in der Autoritarismusforschung nach wie vor im Gange. Das Promotionsprojekt von Lilith Poßner will sich hier mit dem Versuch der Aktualisierung der sozialphilosophischen und -psychologischen Arbeiten der ersten Generation der Frankfurter Schule einmischen. Diese hatte die Logik autoritärer Feindbildproduktionen wie den Antisemitismus als wesentlich paranoid auf den Begriff zu bringen versucht: Autoritäre übertragen ihre nonkonformen Regungen auf Feindobjekte, von denen sie sich nun verfolgt fühlen und die sie darum verfolgen dürfen. Vorurteile sind hier der Logik des Verfolgungswahns nachgebildet, aber zugleich von der Ebene individueller Pathologien auf die sozialtheoretische Ebene einer Erkrankung der Gesellschaft verschoben. Diese theoretische Konstruktion hat zwei wesentliche Vorteile: Sie bestimmt die Beziehung zwischen Verfolgern und Verfolgungsobjekten als phantasmatisch und sie begründet autoritäre Krisenlösungsstrategien in der Versagung von Bedürfnissen durch die Gesellschaftsorganisation, die im Modus der Verleugnung fehlbearbeitet werden. So wird eine Rückübersetzung autoritärer Phantasmen in verstellte Probleme der Gesellschaftsorganisation möglich. Allerdings muss eine Aktualisierung sowohl die gestiegenen sozialphilosophischen Zweifel an Sinn und Möglichkeit der Diagnose sozialer Pathologien adressieren können und vor diesem Hintergrund begreiflich machen, was es heißen kann, von einem sozialen Wahn zu sprechen. Der Vortrag läuft auf die Entfaltung der Eckpunkte eines solchen Projektes zu.
Zur Vortragenden:
Lilith Poßner studierte Philosophie und Kulturwissenschaften in Leipzig. Sie war wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Kulturphilosophie/Kulturtheorie am Institut für Kulturwissenschaften der Universität Leipzig und ist gegenwärtig Promotionsstipendiatin der Hans-Böckler-Stiftung. Ihre Arbeitsschwerpunkte sind Kritische Theorie und Psychoanalyse sowie Kultur- und Sozialphilosophie.