Heiliger Krieg und spätantikes Christentum (Prof. Hartmut Leppin, Frankfurt a.M.)

Datum: 28.02.2023 (02:00:00–04:00:00)

Ort: Konservatorium für türkische Musik, Bergmannstr. 29, 10961 Berlin, und online

 

Giulio Romano: Die Schlacht Constantins an der Milvischen BrückeDie Schlacht an der Milvischen Brücke (Giulio Romano / Vatikanische Museen)

Militärische Handlungen der Antike zielten oft auch auf die Zerstörung religiöser Bauwerke: Die Perser brannten 480 v. Chr. die Tempel auf der Akropolis nieder, die Römer den Tempel von Jerusalem 70 n. Chr., doch änderte sich mit der Christianisierung des Römischen Reiches in der Spätantike der Charakter der Heiligkeit des Krieges. Es ging nicht allein darum, die Schwäche jener Götter zu erweisen, die die Gegner unterstützten, sondern es ging um die Durchsetzung eines Glaubens gegenüber dem anderen. Nur scheinbar ist dafür der Sieg Constantins des Großen an der Milvischen Brücke ein Sinnbild. Zwar führten Zeitgenossen den Sieg darauf zurück, dass er das Kreuzeszeichen hatte auf den Schilden seiner Soldaten anbringen lassen. Damit handelte er entsprechend des traditionellen Siegesgedankens, der den militärischen Erfolg einem Gott zuschrieb - Christus war lediglich an die Stelle Jupiters getreten.

Allerdings bedeutete Constantins Hinwendung zum Christentum, dass der neue Glaube immer weitere Bereiche der Gesellschaft erfasste. Das Militärwesen blieb zwar lange ein religiös neutrales Feld -  schon allein, weil man stets auch auf Truppen angewiesen war, die nicht den Glauben des Herrschers teilten. Doch als am Ende des 4. Jahrhunderts Kaiser Theodosius der Große 394 gegenüber seinem Gegenkaiser Eugenius in der Schlacht vom Frigidus den Sieg errang, stand alles im Zeichen des christlichen Glaubens; bis dahin, dass man den Sieg als Folge eines Wunders betrachtete, das dem Gebet des Kaisers zu verdanken sei. Diese Entwicklungen setzten sich fort: Bei der Vorbereitung von Kriegen spielten religiöse Rituale eine wachsende Rolle, Wundererzählungen gewannen an Bedeutung, die Gegner wurden zunehmend als Glaubensfeinde beschrieben und als Gruppe abgewertet, die Notwendigkeit des Krieges mit dem Schutz von Glaubensfreunden begründet, Mission zu einem Mittel der äußeren Politik, die Kaiser wurden als religiöse Autoritäten interpretiert, heilige Objekte bei Kämpfen genutzt.

Vermutlich verstärkten die römisch-persischen Kriege des 6. Jahrhunderts, die auch (wenngleich ungenau) als Kriege von Christen gegen Zoroastrier interpretiert werden konnten, diese Entwicklung noch einmal. Dem Kaiser Herakleios (610-641) wurden sogar jesusähnliche Züge zugeschrieben. Er errang einen entscheidenden Sieg gegen die Perser - und erlitt die erste Niederlage eines Byzantiners gegen Araber, die sich auf Muhammad beriefen. Es läge nahe, christlichen Autoritäten bei der neuen Form der Heiligung des Krieges eine entscheidende Rolle zuzuschreiben. Doch bemühten sie sich eher um eine Einhegung des Krieges durch Konzepte wie das des unblutigen Sieges oder des gerechten Krieges. So scheint die Heiligung des Krieges auf das Legitimationsbedürfnis von Kaisern zurückgegangen zu sein, die die hohen Belastungen des Reiches durch Kriege zu rechtfertigen hatten und die sich die aggressive Rhetorik, die viele religiöse Texte aufweisen, zunutze machen konnten.

Zum Vortragenden:

Prof. Hartmut Leppin

Hartmut Leppin, geb. 1963, Studium in Marburg, Heidelberg, Pavia und Rom, seit 2001 Professor für Alte Geschichte in Frankfurt am Main, Forschungsaufenthalte u.a. in Princeton NJ und Cambridge UK. Leibnizpreis 2015, Erwin-Stein-Preis 2019, Vorsitzender des Kuratoriums des Historischen Kollegs in München seit 2020. Forschungsschwerpunkte: Politische Ideengeschichte der Antike; antike Christentumsgeschichte. Leiter eines DFG Langfrist-Vorhabens zur Edition, Übersetzung und Kommentierung der Kirchengeschichte des syrischen Autors Johannes von Ephesos.

Wichtigste Publikationen:
Das Erbe der Antike (C. H. Beck Geschichte Europas), München 2010 (ital. Übers. 2012, chin. Übers, i Vorbereitung).
Justinian. Das christliche Experiment, Klett-Cotta, Stuttgart 2011.
Die frühen Christen. Von den Anfängen bis Konstantin, C.H. Beck, 3. Aufl. München 2020, Engl. Übers. in Vorbereitung bei CUP.
Paradoxe der Parrhesie. Eine antike Wortgeschichte, Mohr-Siebeck, Tübingen 2022.

Zurück