Liebe verstehen: Was kann Philosophie uns über Liebe lehren?

Datum: 09.05.2016 (20:00:00–22:30:00)

Ort: Alte Jakobstr. 12 / Ecke Ritterstr. (Tiyatrom Theater), 10969 Berlin

Die Liebe in den Zeiten des Nachdenkens
Die Liebe in den Zeiten des Nachdenkens

Die Liebe treibt uns alle um – die Liebe zu unseren nächsten Verwandten, zu Freunden, aber auch die Liebe etwa zu einem Beruf, einem Hobby, einem Ort, und natürlich die geschlechtliche Liebe, die uns wohl am meisten fasziniert und um die es auch in meinem Vortrag in erster Linie gehen wird. Da es kaum ein Thema gibt, das uns wichtiger ist und uns tiefer berührt, sollte uns die Philosophie, von der wir uns Orientierung im Leben erwarten, etwas über die Liebe zu sagen haben. Aber was kann sie uns lehren?

Vielleicht nicht allzu viel. Zur Grundlage unserer liberalen Gesellschaft gehört sicherlich, dass wir vielfältigen Lebensentwürfen mit Akzeptanz begegnen, anstatt einander vorzuschreiben, wie wir zu leben, und zu lieben, haben. Ein Philosoph, der allzu viel über Liebe sagt und dabei, was sich kaum vermeiden lässt, bewertet, Partei ergreift und Position bezieht, macht uns aus gutem Grund misstrauisch. Mit welcher Autorität spricht er? Bleibt er nicht, wie wir alle, in seinen Vorurteilen und den Grenzen seiner Lebenserfahrung gefangen? Sollte er die Kulturkämpfe um Liebe, Sexualität, Familienbilder und Geschlechterrollen nicht lieber den Ideologen der verschiedenen Lager überlassen? Und wieso sollte ausgerechnet der Philosoph, mit seiner berufstypischen Vernunftfixierung, sich auf die Liebe verstehen, der doch immer etwas Unvernünftiges anhaftet? Entzaubert er nicht notgedrungen die Liebe, die in einer bereits weitgehend entzauberten Welt unserem Leben einen Rest an Sinn verleiht und die, wie wir fürchten, einem nüchternen Blick nicht standhalten kann? Tötet er nicht das, was er seziert? Sind wir dann aber ohne Philosophie nicht besser dran? Ist es nicht weiser, sich über die Liebe nicht allzu viele Gedanken zu machen?

Solche liberalen und romantischen Vorbehalte tun jedoch unserem dringenden Bedürfnis nach Orientierung keinen Abbruch. Um Liebe zu verstehen, reden wir mit Freunden und Therapeuten, greifen wir zu Romanen und Ratgebern – und bisweilen auch zu den Werken von Philosophen. Während akademische Philosophie, die sehr darum bemüht ist, sich als ernsthafte Wissenschaft zu präsentieren, um das Thema der Liebe größtenteils einen Bogen schlägt, gibt es keinen Mangel an populärphilosophischen Versuchen über das schönste der Gefühle. Einige Autoren, wie etwa Alain de Botton, Richard David Precht und Wilhelm Schmid bewegen sich nahe an der Ratgeberliteratur, deren Heilsversprechen und Erfolgsrezepten sie jedoch gleichzeitig mit einiger Skepsis begegnen. Manche, wie André Comte-Sponville, der die äußerst einflussreiche Unterscheidung von Liebe als Eros, Philia und Agape wiederbelebt, berufen sich dabei ausdrücklich auf klassische Philosophen, deren Gedanken sich als verblüffend aktuell erweisen. Andere, eher soziologisch ausgerichtete Autoren, wie Ulrich Beck und Eva Illouz, betonen hingegen den historischen Charakter der Liebe, die Veränderungen, die sie in den letzten Jahrhunderten erfahren hat, und die Herausforderungen, die sich ihr in einer zunehmend globalisierten und technologisierten Welt stellen.

In meinem Vortrag werde ich uns durch eine Auswahl der relevanten Literatur führen – auf eine Weise, die uns hoffentlich zu einer spannenden Diskussion anregen wird.

Ausgewählte Literatur:

  • Ulrich Beck und Elisabeth Beck-Gernsheim: Das ganz normale Chaos der Liebe
  • Alain de Botton: Versuch über die Liebe
  • André Comte-Sponville: Liebe: Eine kleine Philosophie
  • Harry Frankfurt: Gründe der Liebe
  • Erich Fromm: Die Kunst des Liebens
  • Karl Otto Hondrich: Liebe in den Zeiten der Weltgesellschaft
  • Eva Illouz: Warum Liebe weh tut
  • Niklas Luhmann: Liebe: Eine Übung
  • Richard David Precht: Liebe: Ein unordentliches Gefühl
  • Wilhelm Schmid: Die Liebe atmen lassen

* * *

Zum Vortragenden:

Gilles Bouché

Gilles Bouché, Jahrgang 1982, hat in Luxemburg, Berlin und Melbourne Philosophie und Germanistik studiert und als freier Journalist gearbeitet. Er wurde 2013 an der University of Melbourne mit einer Dissertation zu Robert Brandoms Philosophie promoviert und war von 2013 bis 2016 am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin als wissenschaftlicher Mitarbeiter und Dozent tätig.

Zurück