Erlösung - Das größte aller Versprechen

Ein heller Stern, umgeben von farbigen Strahlen

Sie kommt, sie kommt nicht, sie kommt, sie kommt nicht...

Das zentrale und wichtigste Versprechen fast aller großen Religionen (bis auf den Hinduismus und den Daoismus) ist die Erlösung von den Leiden und der Mühsal des irdischen Lebens. Nur das Christentum hat dieses Glaubensmotiv aber so tief in den Köpfen seiner Glaubensanhänger verankert, dass die Erlösungshoffnung sogar die große Säkularisierung seit der europäischen Aufklärung überlebte. Dies geschah auf eine gleichermaßen überraschende wie einfache Weise: Die ehemals vom christlichen Gott versprochene Erlösung wurde im Verlauf des 18. Jahrhunderts im Europa der Aufklärung zum modernen Fortschrittsglauben umgedeutet. Damit wurde sie zum Fundament aller heutigen Industriegesellschaften. Die Folgen dieses Wandels im Weltverhältnis waren und sind durchschlagend.

Wie aber spielte sich der Wandel von der alten Erlösungshoffnung zum modernen Fortschrittsimperativ ab? Diese Geschichte erzählte bereits kurz nach der Katastrophe des 2. Weltkrieges der deutsche, jüdische Philosoph Karl Löwith in seinem Buch Weltgeschichte und Heilsgeschehen. Die theologischen Voraussetzungen der Geschichtsphilosophie, das auch heute noch sehr lesenswert ist. Der christliche Glaube unterschied sich zwar nicht von Anfang an, wohl aber seit dem Hochmittelalter von allen seinerzeit auf der Welt verbreiteten Religionen darin, dass er von einem statischen Verhältnis des Menschen zu Gott zu einer dynamischen Auffassung dieses Verhältnisses umsprang. Ganz langsam, aber unaufhaltsam setzte sich die Auffassung durch, dass die Welt trotz der allmächtigen Schöpfungsgewalt des christlichen Gottes moralisch mangelhaft sei, man folglich auf ihre moralische Perfektionierung hinarbeiten müsse. Die christliche Menschheit befindet sich dieser Anschauung zufolge also in einem ständigen Entwicklungsprozess. Das war ein unerhörter Gedanke, der im Mittelalter und der frühen Neuzeit zu erheblichen Spannungen im gesamten europäischen Klerus  führte. Aber er setzte sich durch.

Die ewige Hoffnung

Einige Jahrhunderte später wurde dieser Entwicklungsgedanke, nunmehr zum wissenschaftlichen Fortschrittsimperativ gewendet, mit der Aufklärung und der gleichzeitig einsetzenden, ersten industriellen Revolution zum ideologischen Kern der noch jungen europäischen Moderne. Er ersetzte den alten, religiösen Glauben an die moralische Besserung der Welt durch das irdisch-materielle Wohlstandsversprechen. All dies erschien vom 18. bis ins 20. Jahrhundert durchaus plausibel, denn der technisch-industrielle Aufstieg Europas war über zwei Jahrhunderte tatsächlich unfassbar erfolgreich. Mit diesem Erfolg rechtfertigten bereits die alten Kolonialmächte ihre imperialistische Aggression, und nach dem Ende des Kolonialismus wandelte sich das ursprüngliche, christliche Erlösungsversprechen nochmals zur Idee der modernen, westlichen Demokratie. Nunmehr sollte sich sogar die bis dahin häufig tyrannische politische Herrschaft durch Erziehung des Volkes zur Selbstherrschaft bessern lassen; auch das war eine seinerzeit unerhörte Fortschrittsidee. All dies dehnte sich schließlich als das neue Ideal menschlichen Daseins über die ganze Welt aus; zumindest den materiellen Fortschritt wollen inzwischen praktisch alle Menschen. Die Politik scheint allerdings der schwierigere Part der Idee zu sein. Und was steht eigentlich am Ende dieser ewigen Entwicklung? Immer weiterer Fortschritt? Das wäre nur dann plausibel, wenn er ganzheitlich gedacht wird. Ein nur materieller Wohlstandsfortschritt bringt schließlich wenig, solange er nicht auch mit einer psychischen und sozialen Entlastung der menschlichen Existenz einhergeht. Grenzenloser, egozentrischer Konsum ist weder Fortschritt, noch bringt er eine Erlösung von der persönlichen und kollektiven Mühsal. Obendrein zerstört er die natürlichen Lebensbedingungen der Erde.

Dessen ungeachtet war die Idee, dass es den Menschen zunächst materiell besser gehen müsse, wenn sie auch darüber hinaus mit ihrem Leben zufriedener sein wollen, durch nichts zu bremsen. Maschinen wucherten schon ab der Mitte des 19. Jahrhunderts auf allen Erdteilen und nahmen den Menschen nicht nur sehr beschwerliche körperliche Anstrengungen ab, sondern brachten sogar Dinge zustande, die wegen der erforderlichen Kräfte und Produktionsgeschwindigkeiten von Menschen überhaupt nicht mehr erledigt werden konnten. Das wiederum bestätigte die Gültigkeit jenes einseitig materiellen Wohlstandsversprechens, das mit der Abschaffung Gottes als Garant für die moralische Besserung der Menschheit getreten war: Wer sich einen Kühlschrank und ein Auto leisten und bei Zahnschmerzen obendrein zum Zahnarzt gehen kann, wird wohl auch insgesamt mit seinem Leben zufriedener sein. Insbesondere muss dann sie oder er auch nicht mehr zu irgendeinem Gott beten. So einfach klingt da. Wie falsch dieser Gedanke ist, beweist die heutige US-amerikanische Gesellschaft, die einerseits, relativ zu ihrer Größe, die reichste der Welt und gleichzeitig die religiöseste ist - bis in den Fanatismus.

Die drohende Verzweiflung am Leben

Eine Rückkehr zum alten Gottesglauben ist jedoch, betrachtet man die Entwicklung der Menschheit aus religionshistorischer Sicht, kaum anzuraten. Hier drohte vielmehr der Rückfall in den alten, religiösen Fanatismus, den die Aufklärer gerade zu überwinden trachteten. Andererseits bemerkten schon Karl Marx und Friedrich Engels mit unnachgiebigem Vorwurf - und sie wurden damit die politisch wohl erfolgreichsten Philosophen der gesamten Menschheitsgeschichte -, dass die Industrialisierung der Welt ihrerseits riesige Opfer fordere, letztlich das Wohlergehen der gesamten Menschheit. Ihre eigenen Vorstellungen zur Besserung der Misere industrialisierter Gesellschaften durch materielle Verelendung des Industrieproletariats, massive Entfremdung und schließlich kollektiven Sinnverlust, erwiesen sich in der Praxis allerdings in einem bis dahin nicht dagewesenen Ausmaß als mörderisch, siehe die Stalin'sche Sowjetunion, das maoistische China, Cuba und einige weitere gescheiterte kommunistische Versuche. Laut Gunnar Heinsohn, einem inzwischen verstorbenen deutschen Genozidforscher, übertrafen die Opferzahlen kommunistischer Gewaltregimes im 20. Jahrhundert um viele Millionen Menschenleben sogar noch jene der faschistischen und sonstigen totalitären Herrschaftsformen (siehe sein Buch Warum Auschwitz? Hitlers Plan und die Ratlosigkeit der Nachwelt; rororo aktuell, 1995).

Die Erlösungshoffnung im Mantel des Fortschrittsimperativs überlebte freilich auch diesen ideologischen Anschlag auf das menschliche Lebensglück ohne jegliche Einbuße. Sie ging sogar noch gestärkt aus den politischen Strudeln des 20. Jahrhunderts mit der kollektiven Überzeugung hervor, dass mehr Konsum und Bequemlichkeit auch mehr Lebenszufriedenheit und damit letztlich die Erlösung menschlicher Existenz bedeuten. In einem gewissen, relativ geringen Ausmaß mag dies auch zutreffen. Das Studium vieler Kulturen, die industriell längst nicht so weit entwickelt waren wie viele der heutigen Gesellschaften, zeigt aber, dass die dort lebenden Menschen keineswegs unglücklicher waren als wir heutige, obwohl es ihnen an vielem fehlte, was wir in unserem Lebensalltag für unverzichtbar halten. Wahrer, vollständiger oder ganzheitlicher Fortschritt müsste eben auch die psychologische Seite menschlichen Sehnens bedienen, um das alte Erlösungsversprechen endlich einzulösen. Das führt zu der eigentlichen, zentralen Frage: Wovon wollen wir eigentlich erlöst werden?

Die größte aller Hoffnungen ist auch das größte aller Rätsel

Diese Frage lässt sich nur beantworten, wenn man sie einerseits auf der individuellen, d.h. persönlichen Seite, und komplementär dazu auf der kollektiv-gesellschaftlichen Seite behandelt. Persönlich und subjektiv leiden viele der Menschen in den heutigen Industriegesellschaften an existenziellen Ängsten, starkem Norm- und Erfüllungsdruck, dem Gefühl der Sinnlosigkeit des eigenen Daseins und letztlich an existenzieller Einsamkeit - überraschenderweise unabhängig davon, wieviel Geld sie haben. Hier bedeutet 'Erlösung' folglich weniger Norm- und Erfüllungsdruck, weniger Ängste sowie mehr soziales Aufgehobensein, mit einem Wort: mehr Lebenssinn.

Dies setzt wiederum Veränderungen auf der kollektiven, gesellschftlichen Ebene voraus, die von niemandem einzeln befohlen, sondern nur in einem sehr langsamen, immer ungewissen gesellschaftlichen Entwicklungsprozess realisiert werden können. Auch dies wäre noch erträglich, wenn zumindest eine mehrheitliche Einigkeit darüber bestünde, wohin es gehen soll, um unser aller gemeinsame Lebenssituation tatsächlich zu bessern. Von dieser Einigkeit sind alle nicht-totalitär regierten Gesellschaften heute allerdings weiter entfernt als je zuvor in der Geschichte. Die weltanschauliche Diversität ist der Preis des Individualismus. Das produziert wiederum jene unenträgliche Ungewissheit der gemeinsamen Zukunft: Wer wird sich politisch durchsetzen? Welche Idee erweist sich als wirkliche Verbesserungschance? Wir wissen es nicht. Und weil die heutige Situation einer globalisierten Menschheit so komplex ist, dass jeder, der eine einfache Lösung propagiert, sich bereits dadurch als Schwätzer ausweist, kommen wir nicht darum herum, gemeinsam an vielen kleinen Ideen zu stricken, die zusammen hoffentlich etwas ganz Neues hervorbringen. Die  Erlösung wird aber selbst dann bestenfalls als graduelle Erleichterung eintreten. Das Paradies auf Erden wird es nie geben.

Bis dahin heißt es: durchhalten, nicht durchknallen. Die Arbeit an einer besseren gemeinsamen Zukunft erfordert eine fast übermenschliche Geduld. Dafür kann sie auf sehr unterschiedliche Weise geleistet werden: Wir brauchen Intellektuelle genauso wie Handwerker, Ingenieure, Künstler, Finanzrechengenies, kluge Politiker, Lehrer, Verwaltungsfachleute (die Liste lässt sich noch lange fortsetzen) und sogar die vielen Leute, die sich an dieser Suche nach der besseren Zukunft gar nicht selbst beteiligen wollen oder können, jene Arbeit an der Zukunft aber durch ihre eigene, tägliche und durchaus mühsame Arbeitsleistung auf tausenderlei Weise überhaupt erst ermöglichen.

Die tatsächliche, schöpferische Potenz einer Gesellschaft zeigt sich darin, wie sie mit ihren eigenen Entwicklungsmöglichkeiten umgeht. Die Erlösung als die ultimative Belohnung eines gelungenen Lebens steht also nicht am Ende der individuellen und kollektiven Entwicklung; sie liegt im Entwicklungsprozess selbst. (ws)

Frühere Leitartikel

Bereits im Jahr 1911 schrieb der deutsche Soziologe Robert Michels ein bis heute viel beachtetes Buch mit dem Titel: Zur Soziologie des Parteiwesens in der modernen Demokratie. Untersuchungen über die oligarchischen Tendenzen des Gruppenlebens. Seine Erkenntnisse, gewonnen aus seiner damaligen Mitgliedschaft in der damaligen, stark links orientierten SPD. Was er dort erlebte, gilt nicht nur für alle politischen Parteien, sondern generell für alle weltanschaulichen und religiösen Verenigungen. Es lohnt, einen erneuten und konstruktiven Blick daraus zu werfen, wie solche Gebilde entstehen, sich wandeln und irgendwann auch wieder untergehen.

Vor unseren Augen entfaltet sich eine Spaltung der Welt in vielen Dimensionen: politisch, sozial, weltanschaulich und sogar technisch. Das ist für viele Menschen sehr beunruhigend. Im Folgenden soll es um eine besonders intensive Form dieser Spaltungen gehen, nämlich um jene einer subjektiven und objektiven Sicht auf die Wirklichkeit. Manche(r) wird sich beim Lesen dieses Satzes vielleicht fragen: Gibt es einen solchen fundamentalen Unterschied überhaupt? Die sardonische Antwort auf diese Frage kann nur lauten: Versuche es doch einmal ohne diese Unterscheidung; dann wirst du entweder bald in einer geschlossenen psychiatrischen Abteilung landen. Das nennt man dann nämlich 'Psychose'. Oder du bekennst dich zur Tyrannei absoluter Objektivität von allem, was dir so im Kopf herum geht und verdammst jeden, der dein Weltbild nicht teilt, als Lügner. Beides sind sehr abschreckende Szenarien. Das sollte besser gehen.

Von dem früheren deutschen Bundeskanzler Helmut Schmidt ist der Spruch überliefert: "Wer Visionen hat, sollte zum Augenarzt gehen". Er meinte dies zwar nur im Hinblick auf die politische Sphäre, aber selbst dort ist der Spruch inhaltlich schlicht falsch. Viel treffender wäre es gewesen, wenn Schmidt von Illusionen geredet hätte, die sich Politiker:innen aus dem Kopf schlagen sollten. Dann aber wäre der sarkastische Verweis auf die Augenärzt:innen nicht mehr passend gewesen, sondern eher auf Psycholog:innen. Doch wie sieht es eigentlich mit dem gesellschaftlichen Wert von Illusionen aus? Sind sie womöglich wirklich wertlos oder sogar gefährlich?

Leid und die Empörung sind vielfach miteinander verbunden. Im Grunde sollte es niemandem schwerfallen, zwischen beidem zu unterscheiden. Ein Problem entsteht allerdings dann, wenn Personen das Leiden anderer benutzen, um damit ihre eigenen Ziele zu verfolgen. Das kann einfach eine seltsame Lust an der Empörung sein; es kann aber auch andere Zwecke hinter der Empörung geben, vor denen man sich in Acht nehmen sollte.

Seit dem Aufblühen der Industrialisierung in Europa, also ungefähr seit der Mitte des 18. Jahrhunderts, wurde die wichtigste politische Frontlinie zunächst in Europa, später in der ganzen Welt, definiert als die Gegnerschaft zwischen Kapitalisten und Arbeitern. Der Vorwurf Letzerer lautete, von Marx ausführlich kommentiert: Ihr Kapitalisten nehmt uns den Wert unserer Arbeit weg und haltet uns in Armut, um unsere Abhängigkeit von euch nicht zu schmälern. Dieser Gegensatz wurde seitdem keineswegs aufgehoben, auch wenn er sich in größeren Teilen der Welt erheblich gemildert hat. Er wurde allerdings überholt, und zwar weder von 'links', noch von 'rechts', sondern von einer neuen Frontlinie, die in zwei Dimensionen definiert ist: (a) dem Gegensatz zwischen Nationalisten und Universalisten und (b) dem Gegensatz zwischen demokratisch-rechtsstaatlichen und autoritären Regimes.

Die wirtschaftlichen Eliten aller großen Länder der Welt wenden zur Zeit ungeheure Mittel und Mühen auf, um logische Automaten zu konstruieren, die nicht nur künstlich intelligent sind, sondern auf frappierende Weise auch die menschliche Intelligenz nicht nur zu simulieren, sondern zu überholen. Hier tut sich die Frage nach den Motiven einer solchen Ekstase auf. Einerseits geht es hierbei sicherlich um wirtschaftliche und politische Konkurrenzen, denn die ganze Unternehmung verspricht enorme Gewinne an Kapital und sogar internationaler politischer Macht. Dies ist aber, wenn man die Geschichte der westlichen Bemühungen um den für ihn so wichtigen Fortschritt anschaut, nicht der einzige Grund für den nun schon seit Jahrzehnten immer noch zunehmenden KI-Taumel. In welchem Umfange nützen solche Anstrengungen überhaupt den heutigen menschlichen Lebensverhältnissen?

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The economic elites of all the world's major countries are currently expending tremendous resources and effort to construct logical automata that are not only artificially intelligent but also strikingly capable of not only simulating but surpassing human intelligence. This raises the question of the motives for such an ecstasy. On the one hand, this is undoubtedly about economic and political competition, since the whole enterprise promises enormous gains in capital and even international political power. However, looking at the history of Western efforts to achieve the progress that is so important to it, this is not the only reason for the AI frenzy, which has been growing for decades now. To what extent do such efforts benefit today's human living conditions?

In der Frage, die der Titel dieses kleinen Essays ist, steckt bereits in Teil der Antwort, wenn auch vielleicht nur ein kleiner Teil. Auf jeden Fall ist uns, den Menschen, bisher kein Tier bekannt, das imstande ist, eine solche Frage zu stellen. Und damit sind wir bereits mitten im Problem.

Schon seit knapp einhundert Jahren bemüht sich die seinerzeit noch junge Verhaltenspsychologie, mit naturwissenschaftlicher Methodik beispielsweise herauszufinden, ob man bestimmten, kognitiv sehr entwickelten Tieren das Sprechen beibringen kann. 'Sprechen' muss hier nicht unbedingt bedeuten, akustische Sprachlaute produzieren zu können. Der Ausdruck meint eher, sich in sprachartiger Form verständigen zu können, z.B. durch Tippen auf Geräten, die sprachartige Konstrukte erzeugen. Sprechen hat offenbar viel mit Denken zu tun. Folglich verschob sich die Frage, was Menschen von Tieren unterscheidet, recht schnell auf die Frage, ob Tiere denken können. Diese Frage stellte sich jedoch als zu unpräzise heraus, weil viele Tiere offensichtlich zu komplexen Denkoperationen einschließlich Werkzeugproduktion und Lösungen von Problemen mittels Versuch und Irrtum imstande sind, und dennoch unendlich weit vom menschlichen Umgang mit der Welt entfernt zu sein scheinen.

Normalerweise gehen wir davon aus, dass die Zeit gerade das ist, was NICHT stillstehen kann. Ob das stimmt, hängt aber gerade davon ab, ob man sie nicht auch anders verstehen kann.

Aristoteles war die erste Person der westlichen Hemisphäre, der den vermutlich schon viel älteren Gedanken ausarbeitete, dass alles, was es gibt, vom Streben auf ein inneres Bestimmungsziel hin angetrieben sei. Dieser mächtige Gedanke konnte selbst aus der heutigen Evolutionstheorie nicht ganz ausgetrieben werden, obwohl zumindest die physische und biologische Evolution theoretisch als reines Zufallsereignis beschrieben werden. Doch was ist Zufall? Und wer soll all die Ziele erfunden haben, auf die angeblich jeder Gegenstand der Welt und die Welt als Ganzes hinstreben?

Der gemeinsame, soziale Frieden ist ein hohes Gut. Es wäre allerdings ein Fehler, ihn lediglich mit eiem Zustand der Gewaltlosigkeit zu verwechseln. Zwar ist das Verstummen der Waffen das äußerlich wichtigste Zeichen eines Friedens, insbesondere nach einem Krieg. Der einfache Verzicht auf Gewalt kann aber keinen Frieden begründen, wenn zuvor Unfrieden herrschte, z.B. als Krieg oder permanent hin und her wogende Blutrache. Was aber begründet dann einen Frieden?