Der gute Mensch

 

Eine junge Frau, von hinten gesehen, in Alltagskleidung

Vielleicht ist es ganz einfach

Was ist ein guter Mensch? Diese Frage stellen sich Menschen schon sehr lange, vermutlich bereits, seitdem sie keine Affen mehr sind. Sie wurde und wird an verschiedenen Orten der Welt und zu verschiedenen Zeiten sicherlich sehr unterschiedlich beantwortet. Obendrein kommt es häufig auch auf das Geschlecht der Person an, um deren Verhalten es geht. Noch im Europa des 19. Jahrhunderts war ein guter Mann eine biologisch männliche Person, die schneidig auftritt und gerne für ihr Vaterland stirbt, eine gute Frau dagegen eine biologisch weibliche Person, die sich liebend ihrem Ehemann opfert, ihre gemeinsamen (oder auch mit der Haushälterin gezeugten) Kinder hingebungsvoll aufzieht und natürlich gut kocht, sehr reinlich ist und im Übrigen ihren Mund hält. Ok, lassen wir diese dummen Stereotypen. Ganz so schlimm schaut es heute zum Glück nicht mehr aus.

Was aber könnte ein guter Mensch heute sein, hier im modernen, von ständigen Krisen umwitterten Europa, neben einem Trump'schen Amerika, einem Putin'schen Russland und einem Xi Jinping'schen China, nur um einige ideologische Konkurrenten dieses Kontinents zu nennen?

Die Mär von der 'guten Seele'

Die Frage nach dem guten Menschen war noch nie nur eine Privatangelegenheit, zurechtgestutzt beispielsweise auf Vorstellungen von jemandem, der einer obdachlosen Person mal ein paar Euro zusteckt oder auch dann noch freundlich bleibt, wenn wenn sich an der Supermarktkasse mal wieder wieder jemand vordrängelt und dabei noch auf die übrigen Wartenden schimpft. Der gute Mensch ist auch - und sogar wesentlich - eine politische Figur, d.h. jemand, die oder der sich als öffentliches Elemente dieser Gesellschaft begreift. Damit will ich nicht sagen, dass ein Mensch erst dann gut sein kann, wenn er eine bestimmte Partei wählt oder mutig und entschlossen auf alle Demonstrationen geht, die ihrem oder seinem politischen Weltbild entsprechen. Der gute Mensch ist nach wie vor eine höchstpersönliche Angelegenheit, weitgehend unabhängig von politischen Meinungen und Moden. Und dennoch auch ein öffentliche Angelegenheit.

Wo finden wir Beispiele für gute Menschen? Wer zumindest ab und zu mit Kindern zu tun hat, wird schnell merken, dass Worte sie nur oberflächlich beeindrucken. Das Verhalten, also das Vorbild im buchstäblichen Sinne des Wortes ist es, das zählt. Auch Kinder sind nicht unfehlbar, und insbesondere im Umgang mit Gleichaltrigen lassen sie sich schnell täuschen und sind auch keineswegs immer nett. In ihrer Sicht auf die Welt der Erwachsenen schaut die Sache allerdings anders aus: Da sind Kinder erstaunlich objektiv und, sobald sie in die Pubertät kommen, sogar ziemlich scharfsichtig. Die schlimmste Lüge äußert sich nicht in der falschen, unaufrichtigen Rede, sondern in der verräterischen Erscheinung: Der arrogante, offensichtlich wohlhabende Gockel mit seinem Flanellmantel geriert sich heuchlerisch bei passender Gelegenheit als mildtätiger Menschenfreund; die eitle Ziege von nebenan schminkt sich jedes Mal, wenn sie in ihr Mercedes Sportcoupé steigt, noch bei offener Tür erst einmal die Lippen im Spiegel der heruntergeklappten Sonnenblende. Kleinere Kinder sehen das, sagen aber noch nichts. Jugendliche ziehen die Mundwinkel herunter und verachten solche Leute. Ich denke: Zu Recht.

Was ist ein guter Mensch? Zunächst einmal jemand, die oder der aufrichtig ist, sich nicht selbst durch das eigene Verhalten Lügen straft, wie toll sie oder er ist. Aber Aufrichtigkeit allein genügt nicht. Da fehlt die Praxis, das aktive Tun. Gut sein heißt nicht nur sein, sondern es auch tun. Erich Kästner schrieb seinerzeit das kürzeste Gedicht aller Zeiten, das lautet: "Es gibt nichts Gutes, außer man tut es." Schon richtig, aber auch das hilft uns noch nicht wirkilch weiter. Denn was sollen wir tun?

Die allerorten lauernde Beliebigkeit des Gutmenschentums

Hier nun stoßen wie unvermeidlich auf den harten Kern des Guten, nämlich auf die Frage, wie man das freimütige Verhalten eines veritablen Ekels von einer tatsächlich - nun ja: wirklich guten - Person unterscheiden kann. Geht das überhaupt? Aufrichtigkeit und Ehrlichkeit allein genügen offenbar nicht, denn das nimmt auch das Ekel für sich in Anspruch. Ist dann aber nicht alles Weitere vollkommen relativ und letztlich beliebig, insbesondere alle Moral und mit ihr das reale Gute?

Nein, nicht alles Gute ist relativ. Schon alle höheren Tiere sind mitfühlende Wesen, und so auch der Mensch, sofern es ihm nicht gewaltsam ausgetrieben wurde oder seine egozentrischen Interessen ihn ignorieren lassen, wie es um ihn herum zugeht. Es ist eine der erstaunlichsten Tatsachen der Weltgeschichte, dass beispielweise das frühe Christentum sich so weit ausbreiten und durchsetzen konnten, dass es nach nur zweieinhalb Jahrhunderten zur römischen Staatsreligion wurde - und leider anschließend umgehend so korrupt und verlogen wurde wie die Gesellschaft, in der es bis dahin, oft heimlich und verachtet, gediehen war. Die frühen Christen waren keine Theoretiker, sondern Praktiker. Ihr Erfolg verdankte sich keinem Missionseifer, denn dazu hatten sie weder die Zeit, noch erlaubte ihnen dies der römische Staat. Sie waren größtenteil sehr arme Analphabeten. Es waren übrigens vor allem Frauen jener Zweidrittel der römischen Gesellschaften, die permanent von Hunger und Krankheit bedroht waren. Sie erlebten täglich den erbärmlichen Zustand ihrer Zeit und beschlossen, ein anderes Beispiel zu geben. Mit einem Wort: Es war das praktische Vorbild, das eine unglaubliche Wirkung entfaltete. Der gute Mensch ist ein Individuum, das weiß, was es tut und dazu prinzipell steht. Hier winkt von ferne der Kategorische Imperativ Kants.

Nicht jedes Vorbild ist ein guter Mensch

Das Wörtchen 'gut' hat unzähliche Bedeutungen. Hier geht es nicht um diejenigen Personen, die uns ein Vorbild sind, weil sie gute Geschäftsleute, gute Sportler oder gut gekleidet sind. Solche Personen mögen uns zwar Vorbilder sein. Dagegen ist auch nichts einzuwenden, solange das Vorbildliche an ihnen nicht allein darin besteht, besonders fanatisch, vorwurfsvoll und misstrauisch gegen alles und jeden zu sein. Hier geht es nicht um das nützliche Gute, sondern um jenen kleinen Ausschnitt aus allem Guten, das auf etwas Allgemeineres abstellt, nämlich auf unsere Einsicht, dass wir Teil eines sozialen Ganzen sind, zu dem wir gehören, und das uns etwas wert ist. Das ist durchaus praktisch gedacht, keine Prinzipienmoral mit erhobenem Zeigefinger.

Teil eines sozialen Ganzen zu sein und sich damit wohlzufühlen ist heute oft nicht einfach. Vieles um uns herum geht schief, manche Leute benehmen sich ziemlich schlecht, Politiker machen nicht das, was ich von ihnen erwarte. Und obendrein ist alles so kompliziert und die Behörden sind so umständlich, dass ich manchmal denke, ich schaff's nicht, ich verstehe es nicht mehr, warum zum Teufel machen die das? Ok, das ist so. Ist das Ganze deshalb nichts mehr wert? Diese Frage lässt sich recht einfach beantworten, wenn man sich vorstellt, wie es in unserer Gesellschaft noch aussehen könnte, im Extremfall, wenn die soziale Ordnung komplett zusammenbricht. Nun ist der schlechteste aller denkbaren sozialen und politischen Zustände sicherlich kein Maßstab, um sich mit der real existierenden Gesellschaft zu identifizieren. Aber Europa und Deutschland sind nicht gerade der schlechteste Ort auf dieser Welt, um hier zu leben. Das ist die politische Antwort auf die Frage nach dem guten Menschen. Und die zählt. Denn der gute Mensch, so wie ich ihn hier zu beschreiben versuche, ist gleichzeitig eine private und eine öffentliche Person, und beides passt zusammen. Wie sind Zwei-in-Einem, ein psychosoziales Doppelpack, und wenn die zwei zusammen passen, können sie sich gegenseitig in ihrem inneren und äußeren  Spiegel anschauen: aufrecht, ohne lange Entschuldigungen und Rechtfertigungen.

Keine Reklame für gar nichts

Dies ist weder eine Reklame für Staatstreue noch für christliche Nächstenliebe, auch wenn Letztere tatsächlich das herausragende Alleinstellungsmerkmal dieser Religion ist. Es geht nicht um die Unterwerfung unter weltliche Autoritären und auch nicht um die Demut gegenüber einem Gott, dessen Existenz trotz zahlreicher Bemühungen noch nie bewiesen werden konnte. Es geht nicht um Glauben und nicht einmal um Wissen, sondern um eine konsistente Erscheinung in der Welt - selbstkritisch, aufrichtig, der Welt zugewandt - die anerkennt, dass andere Menschen nicht so anders sind als man selbst. Und darum, etwas zu tun, wenn es in unserer Kraft liegt, herausklettern aus der Eierschale einer allseits gepflegten Egozentrik.

Ein Tun aus Mitgefühl und der Identifikation mit dem Ganzen muss sich nicht rechtfertigen. Es ist sehr wahrscheinlich aus sich selbst heraus gut und wird auch als solches erkannt, wenn es mit einer grundlegenden Bescheidenheit einhergeht. Und selbstverständlich kommt es darauf an, wer - ganz konkret - handelt. Eine sehr vermögende Person wird sich mit einer solchen Einstellung durchaus anders verhalten als jemand, die oder der auf der Straße lebt. Ein guter Mensch zu sein kann auch schwierig sein, wenn mehrere gute Absichten miteinander konkurrieren. Das ist aber zunächst bloße Theorie. In der Praxis ist der gute Mensch eine Person, die man meist ganz einfach, an ihrer bloßen Erscheinung, erkennt. Kinder spüren das, wenn man ihre Gutgläubigkeit nicht missbraucht. Und man sollte auch nicht auf die offensichtliche Not anderer Menschen warten, um sich dann als guter Mensch in Szene zu setzen. Wer den guten Menschen für jemanden hält, der 'in Wirklichkeit' nur Anerkennung sucht, versteht weder andere Menschen noch sich selbst.

Der gute Mensch ist dies gewissermaßen (fast) immer, egal was um ihn herum los ist, weil er ein freundliches, seiner Umwelt zugewandtes und nicht nur eigennütziges Verhältnis zur Umwelt hat. Er denkt sich und das Ganze zwanglos zusammen. Und er ist kein politischer, religiöser oder sonstwie verirrter Fanatiker . Die Frage, was ein guter Mensch ist, brauchen wir im Grunde gar nicht mit Worten zu beantworten. Wenn wir ihm, auch in uns selbst, begegnen, erkennen wir ihn ganz von allein. (ws)

Frühere Leitartikel

Was ist ursprünglicher: Qualität oder Quantität?

Zu den nicht gerade dringendsten Fragen unserer Zeit gehören metaphysische Grundprobleme. Deren gibt es in allen Kulturen und Gesellschaften nicht wenige. Weil leider die meisten von ihnen trotz Jahrhunderte langer Behandlung immer noch nicht eindeutig beantwortet wird, verlieren viele Menschen schnell das Interesse daran. Ich wende mich hier nun an diejenigen Untentwegten, die sich bisher nicht haben abschrecken lassen. Es geht im Folgenden um etwas sehr Grundsätzliches. Die Frage lautet: Was ist ontologisch vorgängig, die Qualität oder die Quantität (von Dingen, Prozessen oder was auch immer)?

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Künstliche Unvernunft

Im aktuellen Heft des Economist (Heft vom 21.04.2018, S. 14 oder online hier) wird berichtet, dass die Techniker von IKEA unter großem Aufwand es geschafft haben, einen Roboter so zu programmieren, dass er einen IKEA-Stuhl zusammenbauen kann. Oh Mann! Er braucht dafür allerdings 20 Minuten und somit ein Mehrfaches der Zeit, die ein durchschnittlich begabter Mensch für die Aufgabe benötigt. Auch Tesla, so wird berichtet, schafft seine Produktionsversprechen nicht, weil Elon Musk sich mit der Automatisierbarkeit im Autobau immer wieder massiv verschätzt. Inzwischen gibt er es sogar öffentlich zu. Irgendetwas stimmt nicht mit der Künstlichen Intelligenz.

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Freiheitssehnsucht und Lebenssinn

Es dürfte für wenig Aufregung sorgen zu behaupten, auch wenn es nicht beweisbar ist, dass 'der Mensch' nach Freiheit strebt, und dass er aber auch nach Sinnhaftigkeit seines Daseins verlangt. Diese Auffassung entspringt aber keineswegs nur privaten Empfindsamkeiten. Im weitesten Sinne kann man wohl sagen, dass es in den modernen westlichen Gesellschaften geradezu das oberste Staatsziel ist (neben der materiellen Grundversorgung der Bevölkerung), genau dieses Streben nach Freiheit und Lebenssinn zu befriedigen.

An einer solchen Forderung ist gleichwohl so ziemlich jedes Wort fraglich. Steckt hinter dem Ausdruck 'der Mensch' nicht bereits eine ungeheure Anmaßung, so als ob irgend jemand wissen könne, was für alle einzelnen Menschen gleichermaßen gelte? Streben wirklich alle Menschen nach Freiheit? Und wenn sie das tun, nach welcher? Handelt es sich bei dem Begriff der Freiheit nicht womöglich eine Bedeutungswolke im Wittgenstein'schen Sinne, deren einzelne Felder oder Bereiche nur eine Familienähnlichkeit aufweisen, aber keinen gemeinsamen Bedeutungskern? Und was ist 'Sinn' mehr als eine weitere solche Bedeutungswolke, die kaum zu klarerer extensionaler und intensionaler Vorstellung von ihr zu bringen ist?

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Emergenz: Hoppla, was ist denn das?

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Der seltsame Hype um die Künstliche Intelligenz

Seit Jahren nun schon steigt die Aufregung: Die Über-Maschinen kommen! Sie kommen aber nicht nur einfach so daher, das tun sie ja schon lange. Nein, sie drängeln sich mit algorithmisch hochfrisierten Elektronengehirnen in jeden Winkel unseres Lebens, schaffen es gar bis auf den Wohnzimmertisch und in die Nachttischlampe. "Igitt, wie schlimm!" schreien die einen, "Ihr seid meine Erlösung und die der ganzen Welt obendrein!" die anderen. Beide Auffassungen und die ganze emotionale Begleitmusik dazu sind einfach kindisch, meint Wolfgang Sohst.

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Der Nomos des Geistes

Die ideologische Erhöhung partikularer Gewalt, gar zur Notwendigkeit des Krieges und als ein Recht der Völker zum Krieg stilisiert  ist nicht diskursfähig, wenn es um den neuen "Nomos der Erde" im Sinne einer geistig universellen Ordnung der Menschheit, trotz aller kulturellen Differenzen, geht. Doch was setzt ein solcher universeller "Nomos des Geistes" in Anbetracht kultureller Vielfalt minimal voraus?

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Der diskrete Charm der Theorie

In seinem umwerfenden Buch "Der lange Sommer der Theorie. Geschichte einer Revolte 1960 - 1990" beschreibt Philipp Felsch die intellektuelle Entwicklung Deutschlands jener Epoche. Er verfolgt sie am roten Faden der Geschichte des Merve Verlags im kaputt-kreativen Soziotop des alten West-Berlin. Es ist über weite Strecken die Geschichte einer Kaskade von Enttäuschungen: Gesucht wurde nach dem Ende der Nazizeit und mitten im Kalten Krieg jener Archimedische Punkt, von dem aus sich diese Gesellschaft überhaupt noch verstehen und womöglich sinnvoll verändern lässt. Gefunden wurde am Ende - nichts. Es begann mit strammer Marx-Lektüre und dem Versuch, 'die Arbeiter' an den Fabriktoren zu agitieren, und lief auf Grund in hysterischer Quacksalberei von allem und nichts. Am Ende war da nur noch ein Regen aus pessimistischem Konfetti atomarer Sinnsucher samt ihren Gurus aller nur erdenklichen Couleur. Das ist aber nicht das Ende der Geschichte.

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Christlicher Dschihadismus

Die zur Zeit allerorten stattfindenden Feierlichkeiten zum Gedenken an Martin Luther haben mich als historisch und an der Person des bekannten Reformators interessierten Menschen etwas Zwiespältiges, das schon weit in den Selbstbetrug hineinragt. Ich erspare mir die Wiederholung historischer und biographischer Details der Zeit Luthers, die überall im Überfluss zu finden sind.

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In seiner Metaphysik, die er vor mehr als 2.300 Jahren schrieb, verurteilt Aristoteles den "Extremisten" Heraklit (4. Buch, 1010a5), dessen Nachfolgern er unterstellt, sie würden der fließenden, sich ständig verändernden Welt jegliche Erkennbarkeit absprechen. So ganz mag Aristoteles dem nicht zustimmen, konzediert aber immerhin, dass "es einen gewissen Grund zu der Meinung gibt, dass es [d.h. das Fließende, sich Verändernde] nicht existiert." Welch sonderbares Statement. Befinden wir uns nicht in dieser sich ständig verändernden Welt? Was in dieser Welt steht eigentlich so still, dass wir es wie den armen Gulliver am Boden unserer Erkenntnis mit absoluter Gewissheit festnageln können?

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